Machtverhältnisse nach den US-Zwischenwahlen
„Veränderungen im Hinblick auf die Regierungsfähigkeit ergeben sich aus dem Ergebnis kaum. Das Land bleibt gespalten wie zuvor“, erklärt Senator Jürgen Chrobog am Anfang seiner Analyse der US-Zwischenwahlen vor zwei Wochen. Was bedeutet dieses Ergebnis nun für die amerikanische Außen- und Sicherheitspolitik, die US-Außenwirtschaftspolitik und welche Konsequenzen sind international zu erwarten? Worauf muss sich die deutsche Wirtschaft einstellen? Darauf geht Jürgen Chrobog, langjähriger deutscher Botschafter in den USA, Staatssekretär im Auswärtigen Amt und Präsident des Europäischen Senates Politik der Wir Eigentümerunternehmer ein.
DIE US-ZWISCHENWAHLEN
Die Republikaner konnten Ihren Vorsprung im Senat ausbauen.
Die Demokraten gewannen die Mehrheit im Repräsentantenhaus. Veränderungen im Hinblick auf die Regierungsfähigkeit ergeben sich aus dem Ergebnis kaum. Das Land bleibt gespalten wie zuvor.
Präsident Trump kann sich auf seine 30 % Kernwähler verlassen. Trotz verbaler Entgleisungen hält seine Attraktivität bei viele Amerikanern an. Hierzu trägt die gute wirtschaftliche Entwicklung auf Grund massiver Steuersenkungen inklusive Lohnsteigerungen bei. Kurzfristige konjunkturelle Erfolge verdrängen die Sorge vor den Risiken einer hohen Staatsverschuldung. Viele Menschen vertrauen immer noch den Versprechungen des Präsidenten, der Stärke gegenüber aller Welt zeigt und damit Erfolg hat. Er ist dabei, seine Wahlkampfliste Punkt für Punkt abzuarbeiten und verändert so die Gesellschaft. Unruhe und Sorge ergreift aber zunehmend Farmer und Gewerbetreibende, die wegen zunehmend Belastungen durch Zölle um ihre Zukunft fürchten.
Die Demokraten können Ihre neue Mehrheit im Kongress nur begrenzt nutzen. Das Recht zum Veto haushaltsrelevanter Gesetze ist ihre schärfste Waffe. Sie können z.B. die Mauer um Mexico verhindern und damit das Kernversprechen Trumps aus seinem Wahlprogramm unmöglich machen, was diesem weh tun wird. Die Politik der kommenden zwei Jahre wird sich im Wesentlichen auf Fragen der Infrastruktur und Soziales konzentrieren. Bei einer Niederlage im Parlament wird der Präsident immer damit argumentieren, dass die Demokraten seine Wohltaten für die Wähler verhindert hätten. Jede Brücke, die einstürzt, oder jedes Bauvorhaben, das scheitert wird den Demokraten angelastet werden – für diese eine gefährliche Situation.
Auch gegen den Präsidenten selbst werden die Demokraten weniger bewirken können, als sie erhofft hatten. Die Idee eines Amtsenthebungsverfahrens (Impeachment) gegen den Präsidenten aus dem Kongress heraus war immer eine Illusion auf Grund der bestehenden Mehrheitsverhältnisse im Senat.
Die Untersuchungen der Kontakte zu Russland durch Sonderermittler Mueller sieht Trump zurzeit als das gefährlichste Problem seiner Amtszeit an. Nach der Entlassung von Justizminister Session und der Einsetzung eines engen Vertrauten des Präsidenten als dessen vorläufigen Nachfolger befürchten die Demokraten, dass dieser Mueller entlassen wird, um alle Ermittlungen zu beenden. Eine derartige Entscheidung würde auch in der Öffentlichkeit einen Eklat auslösen und selbst von vielen Republikanern kritisch gesehen. Mueller könnte allerdings seinen Endbericht an den Kongress schon fertig in der Schublade liegen haben und diesen jederzeit nutzen.
Bislang hat Trump sich als einziger US-Präsident geweigert, seine Steuerunterlagen offenzulegen. Sollte diese Offenlegung auch für Präsidenten verpflichtend sein und das Repräsentantenhaus diese Unterlagen anfordern, würde er Rechtsmittel einlegen und nach einem langen Rechtsweg vermutlich beim Obersten Gerichtshof gewinnen. Dort hat er mit dem von ihm durchgesetzten Richter Brett Kavanaugh eine republikanische Mehrheit, die sich auf Grund der Altersstruktur des Gerichtes vergrößern wird. Richter sind auf Lebenszeit gewählt. Das Land driftet nach rechts.
AUSSEN- UND SICHERHEITSPOLITIK
Die Betonung von „America First“ hat die USA nicht gestärkt, sondern eher geschwächt. Sie haben sich weltweit aus der Verantwortung zurückgezogen. An einer Lösung des Konflikts in Syrien sind sie kaum noch beteiligt. Auch die Ukraine ist auf der US-Agenda nach unten gerutscht. Nicht zu reden von dem schrecklichen Krieg im Jemen mit tausenden von Opfern. Die einseitige Unterstützung Saudi-Arabiens ist von wirtschaftlichen Interessen diktiert, ohne Rücksicht auf die Menschen, die täglich im Jemen sterben.
Die USA verlieren ihren Status als Ordnungsmacht im Nahen- und Mittleren Osten. Sie werden abgelöst durch Russland, China und die Türkei. Spätestens seit der einseitigen Hinwendung zu Israel ist das Vertrauen zu Amerika bei den Menschen in den moderaten arabischen Ländern verlorengegangen. Amerika wird nicht mehr als möglicher Vermittler in der Region angesehen und verliert dadurch an Einfluss.
Im Nahen und Mittleren Osten vollzieht sich zurzeit eine strategische Neuordnung. Saudi-Arabien, die Emirate und Israel nähern sich einander an. Gemeinsam mit den USA positionieren sie sich gegen den Iran. Der Einfluss von China und Russland weitet sich aus.
Dieses sind nicht nur regionale politische Entwicklungen, sondern geopolitische Veränderungen mit Auswirkungen auch auf unsere Sicherheit und die weltweite wirtschaftliche Entwicklung. Dies könnte langfristig auch eine stärkere Interessenkongruenz zwischen Europa und anderen Weltregionen mit sich bringen – insbesondere Asien.
Die US Außenpolitik ist nicht von Nachhaltigkeit geprägt. Die Einstellung zur Nato schwankt zwischen „obsolet“ – so zu Beginn seiner Amtszeit – bis zu einer ausschließlichen Fixierung auf die Höhe der finanziellen Beiträge der Mitgliedsstaaten (2 % Ziel), ohne dass die tatsächlichen Verteidigungsleistungen anerkannt werden. Dieses Thema wird in den kommenden Monaten auch die Beziehungen zu Deutschland belasten.
Die einseitige Kündigung des INF-Vertrages über landgestützte Mittelstreckensysteme mit Reichweiten von 500 bis 5500 Km durch die amerikanische Regierung ohne vorherige Abstimmung mit den Nato Partnern stößt auch in der Allianz auf Kritik. Dieses Abkommen war das Kernstück der Abrüstungsverhandlungen zwischen West und Ost in den siebziger Jahren. Bei aller Kritik an der Einhaltung des Vertrages durch Russland hätte es zunächst Verhandlungen geben müssen statt einsamer Entscheidungen.
AUSSENWIRTSCHAFT
Präsident Trump hat in manchen Fragen recht. Chinas Handelsbilanzüberschuss muss reduziert werden. Dies erfordert aber Verhandlungen und nicht einseitige Erklärungen des US-Präsidenten. Internationale Organisationen, in denen nicht die USA allein bestimmen können, werden demontiert. Über Jahrzehnte gewachsene Institutionen stehen zur Disposition. Unser Interesse an WTO, VN und vielen anderen ist so groß, dass wir dieser Entwicklung entgegentreten müssen. Es ist zu erwarten, dass Präsident Trump auch in den nächsten Jahren seiner Amtszeit diese Politik fortsetzen wird.
Die weitere Anhebung von Zöllen wird nicht auf China beschränkt bleiben, sondern auch die EU treffen. Die Zölle auf Kraftfahrzeuge sind nicht vom Tisch und werden auch in Zukunft als Druckmittel genutzt.
Auch die Energiepolitik der USA wird weiter ausschließlich von nationalen Interessen bestimmt. Der amerikanische Widerstand gegen Nord Stream 2 nimmt zu. Es geht hier weniger um die Ukraine als die Tatsache, dass Trump Deutschland aufgefordert hat, statt Energie in Russland einzukaufen, auf amerikanisches Flüssiggas zu setzen.
IRAN
Der Iran ist für die USA zur Obsession geworden. In dieser Frage stimmen auch viele Demokraten mit den Republikanern überein. Wenn die iranische Regierung, der bisher auch die IAEO Vertragstreue bescheinigt, ebenfalls aus dem Nuklearabkommen ausscheidet und die nukleare Anreicherung wieder aufnimmt, haben wir alle verloren. Die Spannungen werden zunehmen. Besonders Israel wird auf die eigene Bedrohung hinweisen und die USA bis an den Rand eines Konfliktes führen. Niemand auf der Welt kann ernsthaft und glaubwürdig behaupten, dass die Welt ohne das Abkommen sicherer werde.
Große deutsche Firmen haben bereits ihre Geschäfte mit Iran suspendiert. Mittelständler, die im Vertrauen auf den Vertrag investiert haben, bleiben auf der Strecke. EU Planungen über eine Umgehung der amerikanischen Finanzierungswege sind kaum hilfreich. Jedes Geschäft im Iran wird irgendwann mit dem US$ in Berührung kommen, und Firmeninhaber kommen auf eine Sanktionsliste mit vorhersehbaren Folgen bei Einreisen nach Amerika. Die finanziellen Sanktionen mit allen wirtschaftlichen Folgen bis hin zur Verarmung der Bevölkerung führen zu erheblichen Spannungen in der Region und übrigens auch zu einer Spaltung innerhalb der EU. Es ist kaum verständlich, dass neben Staaten wie Indien, Japan, China, Russland und der Türkei sich auch Italien als wichtiger iranischer Handelspartner nicht ebenfalls auf der Sanktionsliste befindet, alle anderen EU-Staaten aber schon. Der Iran bleibt ein unlösbares Problem. Europa muss alles tun, dem Land soweit entgegenzukommen wie es geht, um es von erneuter Urananreicherung abzuhalten.
EUROPA
Ist die Europäische Union – geschwächt durch den Brexit – in der Lage die Lücken auszufüllen, die die USA hinterlassen? Könnten wir das überhaupt, ohne neue Spannungen zu unserem früheren Partner zu erzeugen? In der Vergangenheit waren die transatlantischen Beziehungen von gemeinsamen Werten geprägt. Diese mutierten zu gemeinsamen Interessen. Heute müssen wir nach Gemeinsamkeiten suchen. Es ist nicht zu erwarten, dass nach Trump alles wird wie früher. Aber es könnte wieder leichter werden, Gemeinsamkeiten zu finden. Wir müssen als Europäer versuchen Spannungen abzubauen und auf verbale Ausfälle verzichten. Die kommenden zwei oder sogar sechs Jahre sollten wir nutzen, um die Beziehungen so eng wie möglich aufrechtzuerhalten. Auch viele amerikanische Freunde leiden unter dem jetzigen Zustand. Wir müssen auf die Zivilgesellschaft zugehen. Das Land ist groß und die Gesellschaft so vielfältig, dass es sich lohnt.