Deutsch-Amerikanische Beziehungen: „Spannungen bei Handel, Energie und Verteidigung“
von Botschafter und Staatssekretär a. D.
Jürgen Chrobog,
Senator im Europäischen Senat – Politik
der Wir Eigentümerunternehmer
ZUR LAGE
Auf den Spuren des französischen Staatspräsidenten Macron reiste Bundeskanzlerin Merkel in der vergangenen Woche nach Washington zu ihrem zweiten Arbeitsbesuch bei Präsident Trump. Beide hatten dieselbe Botschaft im Gepäck. Aber weder die Charme-Offensive Macrons noch die rationale Überzeugungsarbeit von Frau Merkel waren erfolgreich. Trump hat der gewünschten dauerhaften Aussetzung der Strafzölle auf Stahl und Aluminium für die EU nicht zugestimmt, sondern unmittelbar vor Auslaufen der Frist diese lediglich für einen weiteren Monat bis zum 1. Juni 2018 verlängert. In der Frage, der Zukunft des Nuklearabkommens mit Iran gab es ebenfalls keine Einigung. Das Verhältnis zwischen der Bundeskanzlerin und dem Präsidenten bleibt unterkühlt, auch wenn sich dieser im Gegensatz zu dem Besuch im Vergangenheit von einer freundlicheren Seite zeigte. Gerade gegenüber Deutschland wird es zukünftig auf amerikanischer Seite wenig Konzessionsbereitschaft geben.
Der französische Präsident hat eindeutig einen besseren persönlichen Kontakt zu Trump entwickelt. Aber es muss sich erst noch herausstellen, ob dieser sich auch für die EU insgesamt positiv auswirken wird. Deutschland und Frankreich sind sich in der Iranfrage und der Ablehnung von neuen Zöllen einig. Die USA werden versuchen, die Meinungsunterschiede zwischen Deutschland und Frankreich über die Eurozone auszunutzen. Deutschland ist ein weit größeres Exportland als Frankreich insbesondere bei Autos und deshalb verwundbarer in einem Handelskrieg als der Rest Europas.
Gegenwärtig betragen die Zölle auf amerikanische Autos in der EU 10%, während die Zölle auf europäische Autos in den USA nur 2,5% betragen. Das Problem wird sein, wie man diese Sätze angleichen kann. Von Deutschland präferiert: 2,5%, da deutsche Autohersteller als Qualitätsanbieter die Konkurrenz amerikanischer Anbieter in der EU weniger fürchten müssen. Anders sieht es in Frankreich aus, das die Angleichung auf 10% vorziehen dürfte, da französische Anbieter eher Massenanbieter sind. Das könnte noch eine intensive Diskussion in der EU nach sich ziehen. Es ist zu vermuten, dass Trump diesen Aspekt sehr gut kennt.
Als gäbe es nicht schon genug Probleme, gibt es weitere Streitfragen zwischen den USA und Deutschland, die einer Lösung bedürfen.
Deutschlands Zögern, das 2014 beim NATO Gipfel in Wales für die Verteidigungsausgaben geplante Zwei-Prozent-Ziel des BIP bis 2024 zu erreichen, wird nicht nur von den Republikanern heftig kritisiert. Die Lage ist kompliziert, denn die Vereinbarungen im Koalitionspapier der Bundesregierung stehen dem im Weg. Jeder neue Versuch einer substantiellen Erhöhung des Wehretats wird von den Sozialdemokraten wie auch von den Oppositionsparteien vehement abgelehnt. Frau Merkel konnte nur eine zeitlich unbestimmte Absichtserklärung abgeben und zusichern, Deutschland werde alle NATO-Verpflichtungen einhalten. Das ist bei den gerade geplanten Verteidigungsausgaben bis 2022 eine gewagte Prognose. Was die Nichtbeteiligung an den Luftangriffen in Syrien betrifft, traf sie auf wenig Verständnis bei ihren Gesprächen. Frankreich und das Vereinigte Königreich sind in hier auf Grund ihrer Teilnahme in einer besseren Situation.
Israel erhöht den Druck auf die USA, aus dem Nuklearabkommen mit dem Iran auszusteigen. Die neusten von Netanjahu vorgetragenen, aber unbewiesenen israelischen Erkenntnisse, Iran verstoße gegen das Nuklearabkommen, stoßen bei Trump auf offene Ohren. Es ist nunmehr damit zu rechnen, dass er das Abkommen wie geplant am 12. Mai 2018 aufkündigen wird. Im Namen aller EU-Mitglieder setzten sich Frau Merkel und Präsiden Macron mit Nachdruck für die Fortsetzung des Abkommens ein und warnten vor den Folgen seiner Beendigung. Hardliner wie Sicherheitsberater John Bolton und Außenminister Pompeo haben zunehmenden Einfluss auf Trump und ermutigen ihn in seiner Politik. Nur US-Verteidigungsminister Mattis und Stabschef Kelly verstehen die europäische Position zum Iran. Aber ihr Einfluss nimmt ab.
Präsident Trump wird Mitte Mai am 70. Geburtstag Israels und der offiziellen Einweihung der neuen amerikanischen Botschaft in Jerusalem teilnehmen. Für Premierminister Netanjahu gibt es kein besseres Geburtstagsgeschenk, als die Annullierung des Atomabkommens. Es wird mehr Unruhe und Unsicherheit in der Region geben.
Der anhaltende deutsche Handelsüberschuss sorgt für weitere Spannungen zwischen Deutschland und den USA sowie anderen europäischen Partnern. Merkel kann hier nur auf die Wirtschaftspolitik der neuen Bundesregierung verweisen, die Lohnerhöhungen, Infrastruktur- und Sozialprogramme umfasst. Aber sie betonte ebenfalls, dass sie die Befürchtungen unserer Partner verstehe. Der Druck auf Deutschland wird zunehmen.
Ein Versuch der Vereinigten Staaten, die Europäische Union in der Frage der Stahlexporte zu spalten, dürfte nicht erfolgreich sein. Handelsfragen liegen in der alleinigen Verantwortung der EU-Kommission. Diese ist sich mit Deutschland, Frankreich und die Mehrheit der europäischen Länder einig. Die Tarife für Stahl- und Aluminium spielten auch bei den Verhandlungen von Frau
Merkel die wichtigste Rolle. Sie warnte vor den Folgen eines Handelskrieges für die Weltwirtschaft für den Fall neuer Steuern und Zölle und verwies darauf, dass hiervon auch die USA betroffen sein werden. Aber ebenso wie Macron ohne Erfolg.
Die immer wieder geäußerte Annahme, dass die neuen Zölle auf Stahl und Aluminium weit über diese Produkte hinausgehen und letztendlich auf die Auflösung verhasster Handelsinstrumente wie der WTO abzielen, ist nicht abwegig. Seit seinem Beitritt hat China in den Augen der USA sehr erfolgreich die WTO-Regeln zu seinen Gunsten ausgelegt. Außenminister Mike Pompeo und Sicherheitsberater John Bolton vertreten die extreme Haltung des „USA First“. Sie lehnen alle internationalen Organisationen ab, die nicht von den USA kontrolliert werden. Dies stellt ein Dilemma für die transatlantischen Beziehungen der EU dar, da diese sich weder auf der Seite Chinas stellen kann, das ebenfalls einen Handelskrieg vermeiden will, noch zu sehr auf dem WTO-Prozess beharren darf. Die US-Regierung hat bereits eine lange Liste von Produkten und Dienstleistungen erstellt, die nichts mit Stahl oder nationaler Sicherheit zu tun haben – eine Art Erpressungsmechanismus. Die EU hat Vergeltungsmaßnahmen bereits angekündigt.
Durch die neue Fristsetzung bis zum 1. Juni erhöhen die USA den Druck. Die Kommission hat bisher immer eine unbefristete Ausnahmeregelung für die EU verlangt. Sie lehnt die Forderung nach einer Quotierung der Exportmengen als Verstoß gegen das in der WTO verankerte Prinzip des Freihandels ab. Das gerade auch von Deutschland vorgeschlagene Zollabkommen stößt bei den Franzosen, das auf hohen Zollschranken für Agrarprodukten besteht, auf Widerstand. Auch Trump hat wenig Interesse an einem derartigen Abkommen mit der EU. Er zieht bilaterale Verträge vor. Ein Erfolg von Verhandlungen innerhalb eines Monats ist nicht absehbar.
Die North Stream 2 Pipeline entwickelt sich zu einem weiteren kontroversen Thema. Die Umgehung der Ukraine und anderer östlicher Nachbarländer wird von der Trump-Administration als wirtschaftlicher Affront angesehen. Inzwischen hat Trump auch eine fast feindselige Erklärungen gegenüber Deutschland abgegeben, unter dem Motto, dass es unverständlich sei, so viel Geld an Russland zu zahlen, anstatt auf amerikanische Gasreserven zurückzugreifen. Wieder ein Balanceakt zwischen den USA und Russland. Unterdessen scheint Frau Merkel, die dies bisher als privatwirtschaftliche Angelegenheit betrachtet hatte, mit dem Hinweis auf die legitimen Interessen unserer östlichen Nachbarn, nachdenklicher geworden zu sein.
AUSWIRKUNGEN FÜR INVESTOREN
China wird zunehmend versuchen, seine Stahlproduktion- und andere Waren in Europa zu verkaufen. Dies wird unweigerlich zu Problemen mit der EU führen – möglicherweise keine unerwünschte Folge für die Trump-Administration. Bis jetzt hat China eine bemerkenswerte Selbstbeschränkung gezeigt und kein Interesse erkennen lassen, den Handelsstreit abgesehen von Gegenmaßnahmen bei Zöllen zu eskalieren. Diese Zurückhaltung wird noch bis zu den amerikanischen Zwischenwahlen im November andauern. Bis dahin kann die US-Regierung auch auf Unterstützung in Amerika zählen, mit Ausnahme der Staaten, die von Gegenmaßnahmen der EU und Chinas betroffen sind, insbesondere in den Bereichen Landwirtschaft, Export von Motorrädern, Textilien usw.
In der Zwischenzeit werden auch andere Stahl erzeugende Länder versuchen, ihre Produkte in Ländern mit niedrigeren Zöllen zu verkaufen. Dies könnte zu Handelsumleitungen und Überschwemmungen der europäischen Märkte führen und das WTO-System gefährden. Wenn sich die Staaten zukünftig bei der Erhebung von Zöllen auf nationale Sicherheitsinteressen berufen, werden alle Dämme brechen und das derzeitige Handelssystemkann scheitern. Nach internationalem Recht verstoßen die amerikanischen Strafzölle gegen internationale Regeln. Dennoch ist die EU-Kommission, unterstützt von Deutschland, gut beraten, sich weiterhin auf Verhandlungen zu konzentrieren. Als nächstes steht die europäische – sprich deutsche -Automobilindustrie zur Disposition. Aber die Amerikaner dürfen nicht das Gefühl haben, dass unsere Geduld unbegrenzt ist.
Im Ergebnis wird die US-Wirtschaft ebenfalls großen Schaden erleiden. Sie ist stark von Stahl- und Aluminiumimporten abhängig. Ihre verarbeitende Industrie ist weniger entwickelt als die europäische. Autos und Kühlschränke, um nur einige Produkte zu nennen, die derzeit in der Diskussion sind, werden sich verteuern. Neue Einfuhrsteuern werden zu einem Anstieg der Verbraucherpreise führen und die Existenz kleiner und weniger wettbewerbsfähiger Unternehmen gefährden. Die Trump-Wähler werden die ersten sein, die leiden.
Was den Iran betrifft, so wird noch der Kündigung des Abkommens noch etwas Zeit vergehen bis zur Entscheidung der USA, auch die Sanktionen wieder einzuführen, um dann Druck auf andere Länder zur deren Einhaltung auszuüben. Dies wird zu großen Verwerfungen im internationalen Handel führen und die Kluft zwischen Europa und den Vereinigten Staaten und den jeweiligen Volkswirtschaften erweitern.
JÜRGEN CHROBOG
Senator Jürgen Chrobog ist ehemaliger Staatssekretär im Auswärtigen Amt und war deutscher Botschafter in den USA. Als Staatssekretär des Auswärtigen Dienstes war er direkt verantwortlich für Asien, Afrika, den Nahen und Mittleren Osten und Lateinamerika und befasste sich mit Außenhandels- und Wirtschaftsangelegenheiten einschließlich Exportkontrolle und Exportgarantien.
Seine Erfahrung erstreckt sich über Länder wie Ägypten, Libyen, Algerien, Jordanien, Jemen, Tunesien und die Golfstaaten, wo er viele Jahre lang mit führenden Politikern zusammengearbeitet hat. Nach seiner diplomatischen Laufbahn bis 2005 war Botschafter Chrobog bis 2013 Vorsitzender der BMW-Stiftung Herbert Quandt, und zwischendurch für einige Jahre Vorstandsmitglied von MAN Ferrostaal.
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