Folgen einer Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus
Ein einzelner republikanischer Abgeordneter mit Ambitionen auf ein Amt als Senator in Florida brauchte nur sieben weitere Radikale für einen Putsch gegen den eigenen Parteikollegen McCarthy, um dessen Abwahl als Sprecher des Abgeordnetenhauses der USA zu erzwingen. Er stellte damit seine politischen Ambitionen über die Interessen seiner Partei. Als enger Anhänger von Ex-Präsident Trump unterstützte er dessen Bestreben nach einer Rückkehr ins Weiße Haus. Ob die Hoffnungen aller Beteiligten bei den nächsten Wahlen aufgehen werden, bleibt abzuwarten.
Der Vorwurf der rechten Hardliner gegen ihren Vorsitzenden McCarthy lautete, er habe die Interessen seiner Partei bei den Verhandlungen zur Vermeidung eines Haushalts-Shutdown zu Gunsten der Demokraten verraten.
Der Versuch, eine Haushaltssperre gegen die Regierung durchzusetzen, ist ein Dauerbrenner in fast allen Präsidentschaften. Die Opposition versucht jeweils die Regierung zu Zugeständnissen in haushaltsrelevanten Fragen zu erpressen. Die Republikaner verlangen meist umfangreiche Haushaltskürzungen, die Demokraten Erhöhungen besonders im sozialen Bereich. In diesem Jahr ging es den rechten Republikanern im Wesentlichen um drei Themen.
Die amerikanischen Hilfeleistungen an die Ukraine ist ein Streitpunkt in der amerikanischen Politik. Die Abweichler verlangten statt Rüstungshilfe an die Ukraine den Ausbau der Grenzanlagen zwischen den USA und Mexico – eine absurde Verknüpfung. In der Frage der Ukrainehilfe ist die US-Bevölkerung mehrheitlich auf der Seite von Präsident Biden – schon um Putin nicht zum Sieg über die Ukraine zu verhelfen. Diese Diskussion dürfte den republikanischen Wahlkampf nicht beflügeln.
Ein weiteres Zugeständnis von McCarthy an die Putschisten war die Vorbereitung eines Absetzungsverfahrens (Impeachment) gegen Präsident Biden wegen angeblicher Zustimmung zu dubiosen Geschäften seines Sohnes Hunter in der Ukraine sowie anderer Vergehen. Dieses Vorgehen haben gemäßigte Republikaner nur zähneknirschend geduldet. Sie sehen zu Recht darin ein politisches Schaulaufen des extrem rechten Parteiflügels, zumal es keine Beweise gegen den Präsidenten wegen einer etwaigen Zusammenarbeit mit seinem Sohn gibt. Sie fürchten, nicht zu Unrecht, dass dieses Gebaren eher auf ihre Partei zurückfällt.
Schließlich hat McCarthy auch selbst zu seinem eigenen Sturz beigetragen, indem er sich gezwungen sah dem Passus zuzustimmen, dass schon ein einziger Abgeordneter des Repräsentantenhauses ausreicht, um einen Misstrauensantrag gegen den Sprecher und dessen Abwahl zur Abstimmung zu stellen. Und so geschah es.
Für Mitte der kommenden Woche ist die Wahl eines neuen Sprechers vorgesehen. Wie dies geschehen soll und wer als Nachfolger infrage kommt, ist offen. Trump hat bereits einen seiner Gefolgsleute vorgeschlagen. Bis zu einer erfolgreichen Wahl ist kein parlamentarisches Gesetzgebungsverfahren mehr möglich. Mitte November beginnen zwingend die neuen Haushaltsberatungen. Auch die Einigung über den Shutdown läuft Mitte November aus. God save Amerika.
Was sich zurzeit in Amerika abspielt, ist bodenlos. Das haben die USA-Wähler und wir als deren Verbündete nicht verdient. Schon im Januar hatte es 15 Wahlgänge benötigt, um McCarthy das Amt des Sprechers zu verschaffen. Die Zahl der Unterstützer von Trump nimmt bei den Umfragen mit jeder neuen Anklage zu. Er präsentiert sich als Opfer eines korrupten Rechtssystems, vor dem nur er die Amerikaner schützen könne. Inzwischen vermarktet er sehr erfolgreich das Polizeifoto, das von ihm bei seinem letzten Auftritt vor Gericht gemacht wurde an seine Anhänger und erzielt Millionen. Die republikanische Partei ist voll in seiner Hand. Allerdings gibt es bei manchen Republikanern zunehmend ein gewisses Fremdschämen.Das Verhalten ihrer Partei wird ihnen langsam peinlich.
Die extreme Rechte hat möglicherweise überzogen. Die Vorgänge in den letzten Wochen in Washington, die Diskussion in der Abtreibungsfrage, und die Haltung zur Ukrainehilfe. Vielen Wählern reicht es. Aber der Block der Extremen wankt nicht. In beiden Parteien ist keine Alternative für die Präsidentenwahl erkennbar. Der rechtsradikale republikanische Senator deSantis hat versagt und liegt weit zurück. Bei den Demokraten traut sich niemand an Präsident Biden heran trotz dessen offensichtlicher Gebrechlichkeit. Die Sicht der Öffentlichkeit spiegelt dieses Bild wider. Biden und Trump in einem Raum – Trump in Gefängniskleidung und Ketten und Biden mit Rollator.
Dennoch wage ich die Voraussage, dass sich Trump zwar die Nominierung in seiner Partei gewinnt, aber dass er die allgemeinen Wahlen in den USA auf Grund des Votums der noch Unentschlossenen verlieren wird.
In Kiew wird man die Entwicklung mit großer Sorge verfolgen. Unabhängig von dem, was wir für dieses Land in Europa tun: Es kommt letztendlich auf die USA an. Sollte Trump die Wahlen gewinnen, wird er mit Putin einen Zwangsfrieden zu Lasten der Ukraine durchsetzen und die Waffenlieferungen einstellen. Zum Glück hat man in Washington wohl auf Grund eines Rechenfehlers inzwischen eine Reserve von fünf Milliarden Dollar entdeckt, die für Militärlieferungen für eine gewisse Zeit ausreichen. Falls es das Haushaltsrecht erlaubt.
Gemeinsam mit den USA, Frankreich, Großbritannien und anderen Partnern in der EU bzw NATO sollten wir jetzt noch alle Europäischen Reserven für militärische Lieferungen bündeln und die Gunst der Stunde vor einem möglichen Präsidentenwechsel nutzen. Ich habe viel Verständnis für die Zurückhaltung des Bundeskanzlers bei der Lieferung von schweren Waffen. Ich frage mich aber, ob wir uns dieses Verhalten noch lange leisten können. Putin schreckt vor keinem Kriegsverbrechen mehr zurück. Die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern müsste allerdings durch unsere Verbündeten unterstützt werden. Auch das Risiko muss geteilt werden. Wir dürfen nicht wieder zu spät kommen.
Es ist ausgeschlossenen, dass Putin sich einen Schritt in Richtung Verhandlungen bewegen wird, bevor er nicht sicher sein kann, wie die Wahlen in den USA ausgehen, und wer der nächste Präsident wird. Warum sollte er eine Karte im Spiel aufgeben, solange er die Möglichkeit sieht, dass Trump nächster US-Präsident wird.
Mit Trump würden wir viele Probleme haben. Er hat eine Rechnung mit Europa offen – insbesondere mit Deutschland. Wir müssen auf alles vorbreitet sein und können nur hoffen, dass dieser Kelch an uns vorübergeht. Die EU ist nicht weniger gespalten als die USA. Ähnliche gesellschaftliche Brüche tun sich zwischen den EU-Staaten auf. Polen, Ungarn und die Slowakei, werden alles versuchen unsere europäischen Werte und Vorstellungen von Europa zu torpedieren. Sie nähern sich Putin immer weiter an.
Viel hängt von dem Ausgang der Präsidentschaftswahlen in Frankreich ab. Ich bedauere immer noch, dass die Bundesregierung insbesondere unter Frau Merkel zu wenig getan hat, um Präsident Macron zu unterstützen. Die geplante Schließung von drei deutschen Goetheinstituten in Frankreich halte ich für unverantwortlich. Sie trägt zur weiteren Entfremdung ein. Frankreich und Deutschland bleiben der Kern Europas – aber das nur gemeinsam.
Jürgen Chrobog
Früherer deutscher Botschafter in Washington
Staatssekretär a.D.