Wachstum braucht Freiheit statt gnädiges Klein-Klein
Kommentar zum Wachstumschancengesetz
Für Chancen braucht es Freiheit und die Befähigung die gegebenen Freiräume wahrzunehmen. Mit Fähigkeiten haben wir im Mittelstand keine Probleme. Gebt uns Freiräume, dann wissen wir selbst, wo wir am besten unsere Chancen suchen. Ein Wachstumschancengesetz ist in dem Sinne Inbegriff politischer Selbstüberschätzung und spricht für die Vorstellung eines generösen Weihnachtsmannstaats, der einmal in der Legislatur die Chancen an die braven Unternehmer verteilt.
Und dann sind es auch nur recht dürftige Gaben im Säcklein. Die (zeitlich befristeten) erweiterten Möglichkeiten zur degressiven Abschreibung sind etwa eigentlich mehr Anpassung an die reale Wertentwicklung als großzügiges Entgegenkommen. Das gleiche gilt für die Einlassungen beim Verlustvortrag und -rücktrag: In der wirklichen Wirklichkeit auf Märkten fallen Erfolg und Misserfolg ökonomischer Bemühungen zeitlich auseinander. In diesen natürlichen Schwankungen überhaupt steuerliche Gültigkeitsfristen einzuziehen, hat eigentlich nur den Sinn die Unternehmensgewinne höher als faktisch angefallen zu besteuern.
Mit der als zentralen Baustein selbst bejubelten Klimaschutz-Investitionsprämie ist es wie bei allen Subventionen: Man nimmt allen profitablen Unternehmen erst einmal etwas weg, um es dann in bürokratischen Verfahren an einzelne andere umzuverteilen, die es in Investitionen stecken, die sich bei Effizienz und Rentabilität erst noch bewähren müssen. Nutznießer sind im Zweifel Konzerne mit entsprechenden Abteilungen für die Anträge und spezialisierte Förderabsahner. Nachdem Deutschland bei den Unternehmenssteuern zu den Spitzenreitern in der OECD gehört, müsste hier in Sachen Chancen eigentlich dringend auf mehr Freiheit statt auf bevormundende Befähigung gesetzt werden. Sprich Steuersenkung statt Subventionen.
Auch das geplante Bürokratieentlastungsgesetz ist mau. Beziffert wird der Effekt von der Bundesregierung mit 2,3 Milliarden weniger Erfüllungsaufwand bei den Unternehmen. Was Experten in dieser Höhe anzweifeln. In jeden Fall ist es aber ein Tropfen auf dem heißen Stein, wenn der Nationale Normenkontrollrat allein für den Zeitraum von Juli 2021 bis Juni 2022 17,4 Milliarden Mehraufwand durch neue Gesetze feststellt – Tendenz steigend. Da sind 2,3 Milliarden weniger keine Entlastung, sondern allenfalls etwas weniger Mehrbelastung.
Mehr als Signalwirkung kann dementsprechend die Wirtschaftsweise Veronika Grimm den Vorhaben vorerst auch nicht abgewinnen: »Ob es der große Wurf ist, ist nicht so klar. Es ist auch viel Klein-Klein dieses Gesetz, aber man hat jetzt ein Signal gesetzt, dass man verstanden hat, dass man sich wirklich um die Wirtschaft kümmern muss und gute Standortbedingungen schaffen muss …« (Deutschlandfunk, 31.08.2023). Man hat verstanden »dass«, ob man auch verstanden hat »wie«, muss sich erst noch zeigen.
Ihr Gerd Maas