Der U-Boot-Deal zwischen Australien, USA und GB: Konsequenzen für Deutschland und die europäischen Staaten im Verhältnis zu den USA
„Und erstens kommt es anders und zweitens als man denkt“. Dieser dumme Satz kennzeichnet am besten die derzeitigen transatlantischen Beziehungen zwischen Amerika und Europa seit dem Amtsantritt von Präsident Biden. Hoffnungen werden zu Illusionen.
von Jürgen Chrobog,
deutscher Botschafter in den USA und Staatssekretär des Auswärtigen a.D., Präsident des Europäischen Senates-Politik der Wir Eigentümerunternehmer, Partner Berlin Global Advisors, Beraterstab Consileon Business Consultancy, Karlsruhe
Im Streit um Nordstream 2 ist Deutschland an einem Konflikt mit den USA gerade noch vorbeigeschrammt, auch wenn dieses Thema keineswegs völlig vom Tisch ist. Frankreich hat es in diesen Tagen hart erwischt. Inzwischen ist jedermann klar geworden, dass die amerikanische Außenpolitik gegenüber China und Russland wenig Spielraum für europäische Staaten lässt. Hier bleiben die Großmächte lieber unter sich. Wir laufen Gefahr, gegen unsere Interessen in Spannungen einbezogen zu werden, insbesondere was unsere Wirtschaftsinteressen zu China angehen. Unakzeptabel ist die Art, wie in Washington außenpolitische Entscheidungen getroffen werden, die sowohl europäische – besonders französische – wie auch nordatlantische Interessen berühren. Das erinnert fatal an die Zeiten von Trump, von denen wir annahmen, sie lägen hinter uns.
Wegen der Pandemie haben die USA eine Einreisesperre für die EU-Bürger verhängt, obwohl diese bei weitem nicht so betroffen sind wie die Amerikaner. Dann begann der überstürzte Truppenauszug aus Afghanistan ohne ausreichende Abstimmung mit den europäischen Truppenstellern. Jetzt kulminiert dieses Verhalten in der amerikanischen Politik im Indopazifischen Raum. Wenn die Franzosen, wie von ihnen behauptet, von Australien unter Einfluss Washingtons derartig überrascht wurden, dann muss man sich wirklich fragen, wie verlässlich die transatlantische Partnerschaft heute noch ist. Der über Nacht von Australien gekündigte Vertrag mit Frankreich über die Lieferung von U-Booten in der Größenordnung von vierzig Milliarden Dollar hat große wirtschaftspolitische Folgen für Frankreich. Er hatte darüber hinaus für das Land eine symbolhafte Bedeutung für dessen langfristige Kooperation in der Region. Biden hat mit britischer Unterstützung ein Angebot an Australien gemacht, das dieses nicht ablehnen konnte (statt konventionellem Dieselantrieb Atomantrieb – besser geht es nicht). Es ist überraschend, dass es Außenminister Tony Blinken, einem exzellenten Frankreichkenner, nicht gelang, diesen Eklat zu verhindern oder wenigstens unter Kontrolle zu halten.
Das eigentliche Ziel der US-Außenpolitik im Südpazifik ist China. Wir Europäer müssen uns fragen, ob es in unserem Interesse liegt, dass die Spannungen in dieser Region auf diese Art und Weise eskalieren. China ist inzwischen zu mächtig und selbstbewusst, als dass es unter amerikanischem Druck seine Politik wesentlich verändern wird. Es hat dieses inzwischen deutlich gemacht. Wir müssen uns fragen, ob es eigentlich unseren europäischen Sicherheitsinteressen entspricht, dass immer mehr Atom-getriebene U-Boote in dieser spannungsreichen Region unterwegs sind. Risiken bleiben insbesondere für die Umwelt, auch wenn es sich nur um den atomaren Antrieb handelt. Hier entsteht auch ein Berufungsfall: Heute USA-Australien, morgen Russland und seine Verbündeten und für andere Länder.
Großbritannien sieht sich als Gewinner dieser neuen Allianz in der indopazifischen Region. Es ist an dem Gesamtgeschäft als Exporteur beteiligt. Johnson kann daher mit Berechtigung darauf hinweisen, dass sich der Brexit gelohnt habe. Rücksichtnahme auf europäische Partner ist nicht mehr notwendig. Selbst die EU-Verpflichtung zur Angabe metrischer Größen- und Gewichtsbezeichnungen neben den britischen sind inzwischen gesetzlich abgeschafft. Der Graben zum Kontinent wird tiefer.
Die Rückberufung der französischen Botschafter aus Canberra und Washington war eine außergewöhnliche Maßnahme von Macron. In diesem Zusammenhang wurde auch über London nachgedacht. Noch hat man auf diesen Schritt verzichtet. Präsident Obama wurden Überlegungen zu einem „Pivot to Asia“ unterstellt, d.h. eine Hinwendung zum pazifischen Raum. Er erkannte in seiner Amtszeit aber zunehmend die Bedeutung der europäischen Alliierten und ging diesen Schritt nicht. Das scheint an seinem Vizepräsidenten Biden vorbei gegangen zu sein.
Dieser Affront gegen Frankreich ist auch ein Affront gegen die Europäische Union. Diese spielt kaum eine Rolle in den strategischen Überlegungen der USA. Das Gleiche gilt wohl auch für die NATO. Der neue Indopazifische Sicherheitspakt betrifft auch diese. Macron hatte einst der Allianz bereits den Hirntod bescheinigt. Heute wird in Paris über die Notwendigkeit einer neuen Strategie nachgedacht.
Deutschland muss achtgeben, zwischen den unterschiedlichen Interessen unserer zwei wichtigsten Verbündeten und Freunden, Frankreich und den USA, nicht zerrieben zu werden. Wir sollten jetzt Präsident Macron gut zuhören und uns mit ihm für eine stärkere und unabhängigere Europäische Union einsetzen. Die Europäer dürfen nicht zu einer quantité négligeable werden.
Berlin, 21.09.21
Jürgen Chrobog