Ein neues „German problem“?
A new German problem? Eine Erwiderung von unserem Senator und Staatssekretär sowie Botschafter a.D. Jürgen Chrobog auf eine angebliche Verschlechterung des bilateralen Verhältnisses zwischen USA und Deutschland.
In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schrieb der Journalist Majid Sattar in einem Artikel mit der Überschrift Ein neues „German problem“? darüber, dass sich in der Biden-Regierung Enttäuschung über Berlin breit mache. Diplomaten in Washington verweisen angeblich darauf, dass es zwischen Washington und Berlin nicht gut laufe – zum einen wegen der Gas-Pipeline Nordstream 2 durch die Ostsee, aber auch in zentralen strategischen Fragen westlicher Außenpolitik stelle sich Berlin quer: sowohl in der Russland- als auch in der China-Politik. Der frühere US-Botschafter in Deutschland habe dieser Sicht Ausdruck verliehen, indem er sagte, in der atlantischen Welt gebe es ein neues „German problem“, zitiert Sattar.
Jürgen Chrobog, Präsident Politik unseres Senates der Wir Eigentümerunternehmer und früherer Staatssekretär des Auswärtigen und Botschafter in den USA, nahm öffentlich zu diesen Vorhaltungen gegenüber Deutschland Stellung:
„Ist Deutschland das wirklich, oder sind wir auf dem Wege dorthin? Ich habe meine Zweifel. Unter Berufung auf ungenannte Quellen kann man so etwas herbeireden, bzw. den Eindruck erwecken. „Außenpolitische Zirkel“ und „diplomatische Kreise“ reichen mir nicht für derartige Aussagen. In diesen zitierten Kreisen kann man für alles Hinweise finden, besonders wenn diese ausdrücklich nicht zitiert werden wollen. Auch die von John Kornblum in der obigen Frage geäußerte Sorge gibt eher seine eigene Sicht wieder. Dass Deutschland sich in strategischen Fragen quer legt, kann man nicht behaupten. Manchmal befinden wir uns vielleicht in einer Schrägstellung, an der vorbei es aber noch viel Raum gibt.
Die von Majid Sattar genannten Beispiele Nord Stream 2, Russland und China sind Themen, über die man nicht einfach hinweggehen kann. Alle strategischen Fragen benötigen intensive Erörterungen in der EU und im transatlantischen Bündnis und nicht „obwohl Deutschland Trump als Prügelknabe gedient“ hat, sondern gerade, weil dies der Fall war.
Ich verstehe nicht, warum Nordstream 2 so ein Dauerproblem ist. Soll man ein Milliardenprojekt auf dem Grund der Ostsee versenken? Sollte man nicht besser im Rahmen eines ausgehandelten Moratoriums Zeit gewinnen im Hinblick auf den eigenen und europäischen zukünftigen Energiebedarf und anstelle des durch Fracking gewonnenen Erdgases? Letzteres ist die umweltschädlichste Energie, die es auf der Welt gibt.
Was Russland angeht, können und dürfen wir nicht so auftreten wie die USA. Bidens Charakterisierung von Putin als Killer war völlig fehl am Platz. Gerade Deutschland auf Grund seiner regionalen Nähe zu Russland sollte, so lange es geht, als Moderator auftreten – im eigenen und im europäischen Interesse. Niemand kann die Zukunft voraussagen insbesondere nicht die wirtschaftliche Entwicklung Russlands.
China dürfte langfristig für uns das größte Problem darstellen. Gerade auf Grund unserer wirtschaftlichen und handelspolitischen Interessen dürfen wir nicht in Menschenrechtsfragen hinter unseren europäischen Partnern zurückbleiben. Auch die USA sind in ihrer Chinapolitik nicht immer geradlinig und berechenbar gewesen, wenn es im wirtschaftlichen Interesse ging. Hier benötigen wir einen gemeinsamen europäischen Ansatz.
Wir müssen versuchen, eng bei Frankreich zu bleiben. Die engen Beziehungen zwischen Antony Blinken und der französischen Regierung sind bekannt. Eine besondere Annäherung zwischen beiden Regierungen ist nicht ausgeschlossen. Wir sollten uns gegenüber Washington nicht kleiner machen als wir sind, sondern als Europäer auch unsere Interessen im Auge behalten“.
Jürgen Chrobog
Präsident Politik des Europäischen Senates der Wir Eigentümerunternehmer.
Staatssekretär des Auswärtigen a.D. (2001-2005)
Botschafter a.D. (Washington 1996-2001)