Spaltung in Politik und Gesellschaft – Unterstützung für Trump – Wiederwahl? – Aktuelle Eindrücke aus Washington
Zwei Wochen in Washington und viele Gespräche mit langjährigen Freunden aus Politik und Gesellschaft hinterlassen ein Gefühl der Unsicherheit, wie es im deutsch/europäischen – amerikanischen Verhältnis weitergehen wird. Die Herzlichkeit und Freundschaft ist geblieben, aber man spricht auf beiden Seiten politische Themen besser nicht an.
Jürgen Chrobog, Präsident des Europäischen Senates-Politik der Wir Eigentümerunternehmer, Staatssekretär des Auswärtigen a.D. und langjähriger deutscher Botschafter in Washington sowie Partner der Berlin Global Advisors analysiert im folgenden die aktuelle Situation in den USA und gibt seine Eindrücke aus vielen Gesprächen wieder.
„Überraschend ist, wie viele kluge und kultivierte Menschen nach wie vor Präsident Trump unterstützen. Es war nicht nur die strikte Ablehnung einer möglichen Präsidentschaft von Hillary Clinton, die den Wahlsieg von Trump möglich gemacht hat, sondern es wurden und werden auch heute noch Grundüberzeugungen von ihm in weit größerem Umfang geteilt, als zu vermuten war. Das schließt aber nicht aus, dass Trumps erratische Politik und seine Entgleisungen auch von vielen Republikanern abgelehnt werden, ohne dass aber diese deswegen seine Präsidentschaft insgesamt infrage stellen.
Diese Haltung führt zu zwei Schlussfolgerungen, auf die man sich bei uns einstellen sollte:
– Auch nach dem Ende der Trump Ära wird das Verhältnis der USA zu uns Europäern für viele Jahre nicht mehr so sein wie früher. Dafür ist die Spaltung in diesem Land inzwischen zu tief. Die Möglichkeit einer Wiederwahl von Trump in zwei Jahren ist alles andere als unwahrscheinlich. Die wirtschaftliche Lage insbesondere der Landbevölkerung hat sich verbessert. Solange Menschen mehr Geld in der Lohntüte haben, werden sie treu zu ihrem Präsidenten stehen.
Noch sind sich abzeichnende wirtschaftliche Gefahren für die Bürger nicht spürbar. Die Börse, die wegen des Handelsstreites mit China abstürzt, berührt den Einzelnen nicht. Andererseits könnten mittelfristig die wiederholten Anhebungen von Zöllen gegenüber China und jetzt auch Mexiko und dadurch verursachte Preissteigerungen zu einem Stimmungsumschwung führen. Auch die chinesischen Gegenmaßnahmen vor allem im Landwirtschaftsbereich (Einfuhrzölle gegen Importe von Sojabohnen) werden diesen Trend verstärken.
Die Infrastruktur in den USA wird immer maroder. Trump verweigert jede Zusammenarbeit mit den Demokraten, solange diese nicht bereit sind, die Untersuchungen gegen ihn einzustellen, Hauptgrund für ihn ist hier aber, dass er keine Haushaltsmittel bereitstellen will, um die von ihm versprochenen Steuersenkungen nicht zu gefährden. Auch all dies wird von den Bürgern und dem immer kritischeren Kongress noch hingenommen. Selbst die Gefahr, dass die defizitäre Haushaltspolitik für spätere Generationen katastrophal sein wird, ist auf Grund der Kurzfristigkeit amerikanischer Politik ohne Bedeutung. Das Heute zählt, die Zukunft wird ausgeblendet.
Die Spaltung der US Gesellschaft zeigt sich gerade in diesen Tagen erneut im Umgang mit dem Bericht des Sonderermittlers Mueller. Am Mittwoch hat dieser zum ersten Mal überraschend öffentlich Stellung bezogen und ist Fehlinterpretationen seines Reports durch die Politik entgegengetreten. In einer nur zehnminütigen sachlichen Rede wies er die Behauptung des Präsidenten zurück, in dem Untersuchungsbericht seien alle gegen Trump erhobenen Vorwürfe der Justizbehinderung ausgeräumt worden.
Mueller: „Wenn dies der Fall gewesen wäre, würde dies auch so in meinem Bericht stehen“. Es sei ihm als Sonderermittler nach den Regeln des Justizministeriums verwehrt, Anklage gegen einen amtierenden Präsidenten zu erheben. Dieses sei allein Sache anderer Institutionen. Dies wird allgemein als ein Signal an den Kongress verstanden, seine Verantwortung in diesem Verfahren wahrzunehmen.
Die öffentliche Reaktion ist gemäß der jeweiligen politischen Einstellung feindselig, zustimmend oder auch enttäuscht, weil man sich klarere Äußerungen gewünscht hätte.
Den schwarzen Peter hat jetzt die Oppositionsführerin Nancy Pelosi.
Der Druck in ihrer Partei, ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten einzuleiten nimmt zu. Da dieses spätestens im Senat auf Grund der dortigen Mehrheitsverhältnisse scheitern wird, hat sie dies bisher abgelehnt. Sie fürchtet zu Recht Schaden für die Demokraten im Hinblick auf die nächsten Wahlen. Die Mehrheit der Amerikaner ist den andauernden Kleinkrieg zwischen den Parteien leid.
Mueller ist in den Ruhestand getreten und hat es abgelehnt, vor dem Kongress auszusagen. Er steht daher als Kronzeuge nicht zur Verfügung. Trump bleibt bei seiner Interpretation des Mueller Reports und weist weiter alle Anschuldigungen zurück. Er hat seinerseits das Verfahren für erledigt erklärt, womit er sich allerdings im Irrtum befinden könnte.“
Juergen Chrobog